Vor-Ort-Prüfung bei EUFOR ALTHEA: Was Österreichs Truppe leistet – und wo es hakt
Drei Tage, viele Gespräche, klare Befunde: Vom 17. bis 19. Februar 2025 hat die Parlamentarische Bundesheerkommission (PBHK) die österreichischen Soldatinnen und Soldaten bei EUFOR ALTHEA in Bosnien und Herzegowina besucht. Der Auftrag der Delegation: hinschauen, nachfragen, Missstände benennen – und sicherstellen, dass Probleme nicht in der Einsatzrealität steckenbleiben, sondern in Wien landen, wo Entscheidungen fallen.
Das Setting ist bekannt, aber alles andere als Routine. EUFOR ALTHEA sichert die militärischen Aspekte des Dayton- und Paris-Friedensvertrags. Das Mandat ist durch UN-Resolution 2384 gedeckt und wird regelmäßig verlängert. 1.500 Soldaten aus 24 Nationen bilden die Mission. Österreich stellt 220 Kräfte – von Stabsoffizieren über Infanteristen bis zu Verbindungs-Teams in den Regionen. Für ein kleines Land ist das ein großer Anteil.
Die Kommission traf die Truppe an mehreren Standorten, erhielt ein Lagebriefing von EUFOR-Stabschef Brigadier Herbert Sailer und sprach mit Mannschaften und Führung. Der Tenor: Der Auftrag ist klar, die Lage in Bosnien bleibt fragil, und die österreichische Präsenz ist sichtbar. Gleichzeitig gibt es Baustellen – ganz konkret.
Im Fokus standen zwei Punkte, die in Einsätzen oft den Unterschied machen: Mobilität und Unterbringung. Die Delegationsmitglieder hörten von einem überalterten Fahrzeugbestand und von Unterkünften, die während Rotationen zu knapp oder schlicht nicht zweckmäßig seien. Das betrifft vor allem Übergangsphasen, wenn Einheiten ein- oder ausfliegen und sich Personalspitzen ergeben. Die PBHK kündigte an, diese Punkte unmittelbar mit dem Verteidigungsministerium (BMLV) zu klären – dort, wo vor Ort keine Sofortlösung möglich ist.
Warum ist das so sensibel? Weil ein Einsatz, der auf Präsenz, Patrouillen und schnelles Reagieren baut, ohne zuverlässige Fahrzeuge ins Stocken gerät. Und wer im Winter über Bergpässe muss oder im Sommer auf langen Landstraßen unterwegs ist, braucht Technik, die nicht beim kleinsten Defekt ausfällt. Unterkünfte wiederum sind mehr als Komfort: Sie beeinflussen Erholung, Gesundheit und Moral – und damit die Einsatzfähigkeit.
Österreich ist in Bosnien seit 1996 präsent: erst unter NATO (IFOR, später SFOR), seit Ende 2004 im EU-Format. Das hat einen einfachen Grund: Stabilität am Westbalkan ist auch eine Frage unserer Sicherheit. In Sarajevo ist das EUFOR-Hauptquartier in Camp Butmir, von dort aus wird der Einsatz geführt. Österreich stellt dort Fachexperten in Bereichen wie Plans, Operationsführung und Rüstungskontrolle. Draußen im Land arbeiten Verbindungs- und Beobachtungsteams (LOT-Häuser) unter anderem in Brčko, Bratunac und Tuzla. Sie sind die Ohren und Augen in den Gemeinden.
Brčko ist politisch heikel und wirtschaftlich wichtig, Tuzla ein industrielles Zentrum, Bratunac liegt an der Drina – Grenznähe ist immer ein Faktor. LOT-Teams reden mit Bürgermeistern, Polizei, Lehrern, Vereinsvorständen. Sie hören zu, erklären, geben Lagebilder nach oben weiter. Diese Arbeit wirkt unscheinbar, ist aber essenziell: Wer früh mitbekommt, dass sich Spannungen aufbauen, kann deeskalieren, bevor es knallt.
Neben Präsenz und Patrouillen leisten die Österreicher Aufklärung im Rahmen der Rüstungskontrolle, unterstützen die bosnischen Sicherheitskräfte bei Bedarf und gehen in Schulen, um vor Minen zu warnen. Ja, Minen sind Jahrzehnte nach Kriegsende immer noch ein Thema. Jeder Workshop, der Kindern beibringt, wo sie nicht spielen sollen, kann Leben retten.
Im Gespräch mit den Soldaten ging es nicht nur um Material, sondern auch um alltägliche Abläufe: Ersatzteilversorgung, IT-Anbindung, medizinische Versorgung, Übungsräume. Nichts davon ist glamourös, alles davon ist entscheidend. Wer digital nicht angebunden ist, kann keine Lagebilder aktualisieren. Wer zu lange auf Ersatzteile wartet, hält Fahrzeuge in der Werkstatt statt auf Patrouille. Die Delegation nahm das auf – mit der Ansage, konkrete Fristen nachzuliefern.
Brigadier Sailer skizzierte der Kommission zudem die Sicherheitslage: Es gibt immer wieder politische Spannungen, teils scharfe Rhetorik in den Entitäten, wirtschaftlichen Druck, Abwanderung junger Menschen. Das sind keine unmittelbaren militärischen Bedrohungen, aber sie erhöhen die Reibung in der Gesellschaft. Genau dafür ist EUFOR da: präsent sein, beruhigen, signalisieren, dass der Friedensvertrag mehr ist als Papier.
Wie sieht der Alltag der Österreicher aus? Patrouillen im urbanen und ländlichen Raum, Gespräche mit lokalen Partnern, Lageberichte an das HQ, Übungen mit multinationalen Einheiten. Rotationen dauern mehrere Monate, die Übergaben sind eng getaktet. Viele Soldaten waren mehrfach am Balkan, kennen Land und Leute, und das merkt man: Kontakte funktionieren besser, wenn man Gesichter und Dialekte wiedererkennt.
Worauf kommt es jetzt an? Erstens, die Fahrzeugfrage. Ein Einsatz, der über Jahre läuft, frisst Flotten. Ersatzbeschaffung und Instandsetzung müssen zusammen gedacht werden – schrittweise Modernisierung, klare Prioritäten für sicherheitsrelevante Systeme und pragmatische Zwischenlösungen, damit die Truppe heute beweglich bleibt. Zweitens, die Unterbringung. Rotationsspitzen sind planbar. Wenn Container, Betten oder Sanitärkapazitäten in diesen Zeitfenstern nicht ausreichen, ist das eine Managementfrage – lösbar mit Reserven oder temporären Modulen.
Die PBHK versteht sich als Ombudsstelle für Soldaten. Sie prüft Beschwerden, fährt in Einsätze, redet nicht nur mit Kommandanten, sondern mit der Truppe, anonym, niedrigschwellig. Genau das ist passiert: zuhören, prüfen, zusagen – und dann liefern. Das BMLV hat die Zuständigkeiten auf dem Tisch, die Kommission hat angekündigt, die Umsetzung nachzuhalten.
Der internationale Rahmen bleibt stabil: EUFOR koordiniert mit den EU-Delegationen, mit der NATO in Sarajevo und mit den bosnischen Institutionen. Reservekräfte stehen in Bereitschaft, damit die Mission schnell verstärken kann, wenn die Lage es verlangt. Österreich ist verlässlich Teil dieses Mechanismus – politisch, logistisch und personell.
Was bleibt vom Besuch? Ein nüchternes Bild: Der Auftrag ist richtig, die Lage ist beherrschbar, die österreichische Rolle ist relevant. Aber ein paar Zahnräder klemmen. Genau dafür sind solche Inspektionen da. Wenn die Fahrzeuge laufen und die Unterkünfte passen, erledigt die Truppe den Rest.
Auftrag, Methode, Wirkung: Woran sich der Erfolg misst
Erfolg in Bosnien misst sich nicht in eingenommenen Hügeln, sondern in Dingen, die nicht passieren: keine Eskalation, keine Gewalt, keine militärische Drohkulisse. Das klingt unspektakulär, ist aber harte Arbeit. Sichtbare Patrouillen, verlässliche Ansprechpersonen in den Gemeinden, schnelle Reaktion, wenn sich Gerüchte festsetzen – das schafft Vertrauen.
- Stabile Präsenz im ganzen Land: LOT-Häuser als Kontaktpunkte.
- Transparente Rüstungskontrolle: Vertrauen schaffen durch Kontrolle, nicht durch Druck.
- Unterstützung der bosnischen Kräfte: Hilfe zur Selbsthilfe, nicht Stellvertretung.
- Aufklärung über Minengefahr: Prävention statt späterer Rettung.
Für Österreich ist der Einsatz auch ein Test der eigenen Einsatzreife: Wie schnell kommen Ersatzteile? Wie gut greifen Ausbildungsstandards? Wie funktionieren mehrnationale Verfahren im Alltag? Die Antworten entstehen nicht am Schreibtisch, sondern draußen – auf den Straßen von Tuzla, an den Brücken von Brčko, in den Tälern an der Drina.
Die PBHK hat die richtigen Schmerzpunkte markiert. Jetzt kommt die Fleißarbeit: Beschaffungswege abkürzen, Instandsetzung priorisieren, Rotationsplanung robuster machen. Wenn das gelingt, bleibt der österreichische Beitrag genau das, was er sein soll: sichtbar, verlässlich, wirksam – im Dienst eines Friedens, der jeden Tag neu abgesichert werden muss.